Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.2, 7., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 592

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Russische Parteistreitigkeiten

Vor kurzem hat unter dem Namen des III. Parteitags der russischen Sozialdemokratie[1] eine der beiden Fraktionen, in die unsere russische Bruderpartei leider seit zirka zwei Jahren gespalten ist, ihren Kongreß abgehalten. Die andere, um Axelrod, Plechanow und Sassulitsch gruppierte Fraktion, deren Organ die bekannte „Iskra“ bildet, hat an jenem quasi allgemeinen Parteitag nicht teilgenommen, wie sie erklärt, aus dem Grunde, weil der Parteitag nicht alle tätigen Lokalkomitees der russischen Sozialdemokratie zur Teilnahme zuließ, was offenbar von einem Einigungsparteitag jedenfalls erwartet werden mußte, sondern gerade am Buchstaben des Organisationsstatuts festhaltend[2], um den der Parteizwist entbrannt war und den ein großer Teil der Organisationen nicht anerkennen wollte, diese letzteren von aktiver Mitwirkung am Parteitag ausschloß.

Diese Fraktion hielt nun, nachdem Versuche, mit den Veranstaltern und Teilnehmern des Parteitags eine Verständigung und irgendeine Art gemeinsamer Beratung herbeizuführen, sich zerschlagen hatten, eine Konferenz[3] für sich ab, in der sie gleichfalls Beschlüsse und Resolutionen über Fragen

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[1] Der III. Parteitag der SDAPR fand vom 25. April bis 10. Mai 1905 als Parteitag der Bolschewiki in London statt.

[2] Nach dem Organisationsstatut der SDAPR hatte der Rat der Partei, dessen Vorsitzender G. W. Plechanow war, das Recht, einen Parteitag einzuberufen. Da Plechanow jedoch die Einberufung eines Parteitages ablehnte, ergriffen die Bolschewiki die Initiative. Eine Beratung von 22 Vertretern bolschewistischer Komitees erließ einen Aufruf „An die Partei“, sich in Resolutionen für einen Parteitag auszusprechen. Da bis April 1905 die überwiegende Mehrheit der Organisationen der Einberufung eines Parteitages zugestimmt hatte, wurde der III. Parteitag einberufen, obwohl sich der Rat der Partei weiterhin dagegen aussprach.

[3] Die Menschewiki, die zum Parteitag der SDAPR eingeladen waren, hatten eine Teilnahme abgelehnt und traten gesondert zusammen. Wegen der geringen Teilnehmerzahl – von nur 9 Komitees waren Delegierte erschienen – bezeichneten sie die Zusammenkunft als Funktionärkonferenz.